Übergabe und Familienplanung clever gestalten

Landwirtschaftliche Betriebe sind auch im Erb- und Familienrecht zahlreichen Risiken ausgesetzt. Weichende Erben und Ehegatten mit Scheidungsabsichten können den Betrieb im schlimmsten Fall in der Existenz gefährden. Das muss nicht sein! Durch umsichtige und rechtzeitige Regelungen lassen sich die gefährlichsten Klippen sicher umschiffen. Auch steuerliche Fragen sind selbstverständlich in die Planung einzubeziehen.

Erbrecht und Hofübergabe

Landwirtschaftliche Betriebe haben im Zusammenhang mit Hofübergabe und Erbfall zunächst ähnliche erbrechtliche Probleme wie der nichtlandwirtschaftliche Bereich: Soweit das Vermögen nicht gleichmäßig aufgeteilt wird, gibt es solche, die sich als „zu kurz gekommen“ betrachten. Das führt zu Spannungen.

In der Landwirtschaft stellt der Betrieb meist das gesamte Vermögen oder zumindest dessen größten Teil dar. Soll die Wirtschaftsfähigkeit nach Übergabe oder Erbfall erhalten bleiben, verbietet sich seine Aufteilung. Dies führt dazu, dass die weichenden Erben weniger erhalten. Dementsprechend ist die Rechtsnachfolge im landwirtschaftlichen Betrieb besonders anfällig für Streitigkeiten.

Andererseits kann aber nur verteilt werden, was für die Zukunft des Betriebs nicht gebraucht wird. Insbesondere Land und Wirtschaftsgebäude sollten möglichst beim Betrieb bleiben, um dessen Eigenkapitalbasis zu stärken und ein Wirtschaften in der Zukunft zu ermöglichen. Dann aber bleibt für weichende Erben u. U. nicht viel übrig.

Beispiel Pflichtteil:
Alois und Barbara Huber führen einen Milchviehbetrieb mit 30 ha und 30 Milchkühen. Sie haben ein gemeinsames Ehegattentestament, wonach der Überlebende Alleinerbe wird und über die Übergabe entscheidet. Witwe Barbara übergibt an Sohn Alois jun. Dessen Schwestern Anna und Kreszenz sind nicht einverstanden. Es kommt zum Zerwürfnis zwischen der Mutter und den Schwestern, die den Pflichtteil verlangen.

Zu Recht und in welcher Höhe?

Anna und Kreszenz sind pflichtteilsberechtigt, denn das Pflichtteil steht den Abkömmlingen (Kinder und Kindeskinder) des Erblassers zu und sie sind durch Testament enterbt worden. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Wie hoch ist die Quote?

Es kommt darauf an, welchen Güterstand die Eltern hatten. Lebten sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so wäre der gesetzliche Erbteil der Witwe ½ (¼ Erbquote plus ¼ pauschalisierter Zugewinnausgleich bei Tod), die Kinder hätten ohne Testament die verbleibende Hälfte je zu gleichen Teilen geerbt, wären also mit 1/6 beteiligt gewesen. Der Pflichtteil ist die Hälfte davon, also für jedes Geschwister 1/12. Woraus wird dieses 1/12 nun berechnet?

Pflichtteil und Ertragswert

In der Landwirtschaft wird für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen grundsätzlich der Ertragswert angesetzt. Der Unterschied zum Verkehrswert ist groß, regelmäßig 10- 20 mal höher als der Ertragswert. Die Ertragswertberechnung hat also für den Verpflichteten – im Beispiel die Witwe Huber – erhebliche Vorteile, da sie bei einem Ertragswert von z.B. 120.000 EUR nur 10.000 EUR an jede der Schwestern auszuzahlen hätte – und nicht 100.000 EUR, wie dies bei Ansatz eines Verkehrswertes von 1,2 Mio. EUR der Fall gewesen wäre.

Diese Ungleichbehandlung der weichenden Erben und Pflichtteilsberechtigten in der Landwirtschaft ist vom Gesetz gewollt, um landwirtschaftliche Betriebe im Generationswechsel vor der Zerschlagung zu schützen, denn Pflichtteile aus dem Verkehrswert könnten die Betriebe meist nicht wieder herein wirtschaften.

Damit das Ertragswertprivileg zur Anwendung kommt, müssen allerdings einige Voraussetzungen geben sein, wie das folgende Beispiel zeigt:

Hans und Rosalie Meier führen einen Nebenerwerbsbetrieb mit 4 ha landwirtschaftliche Nutzfläche und 25 ha Zupacht, indem noch 10 Kalbinnen im Jahr aufgezogen werden. Hans geht einer Bürotätigkeit nach, die das Familieneinkommen sichert. Hans und Rosalie haben ein gemeinsames Ehegattentestament mit gegenseitiger Alleinerbeneinsetzung. Die Söhne Hans und Sepp Meier wollen beide übernehmen; den Betrieb bekommt Hans, woraufhin Sepp seinen Pflichtteil nach dem Tod des Vaters verlangt.

Die Pflichtteilsquote berechnet sich wie in Beispiel Pflichtteil. Bei Zugewinngemeinschaft teilen sich die beiden Söhne eine Hälfte, dies ergibt eine gesetzliche Erbquote von ¼ und ein Pflichtteil in Höhe von 1/8. Wird dieses nun wieder aus dem Ertragswert berechnet?

Es spricht viel dafür, dass Sepps Pflichtteilsansprüche nach dem Verkehrswert berechnet werden. Denn im Beispiel kann bereits die Grenze unterschritten sein, bis zu der die Rechtsprechung das Ertragswertprivileg noch anwendet. Der landwirtschaftliche Betrieb muss als Erwerbsbetrieb erscheinen, nicht als Liebhaberei. Absolute Hektargrenzen gibt es nicht. Jedenfalls muss der Betrieb bei objektiver Betrachtung (gleich, ob in der Vergangenheit besonders gut oder schlecht gewirtschaftet wurde) überhaupt einen Ertrag erwirtschaften können. Dies ist im Beispielsfall zumindest unsicher.

Es besteht also insbesondere bei kleineren und Nebenerwerbsbetrieben ein größeres Risiko, dass das Ertragswertprivileg entfällt und die Ansprüche weichender Erben und Pflichtteilsberechtigter nach dem Verkehrswert errechnet werden.

Problematisch sind auch Fälle mit Bau- oder Bauerwartungsland. Der Bauplatz ist pflichtteilsrechtlich kein Acker, auch wenn er so genutzt wird. Folge: Diese Flächen werden mit dem Verkehrswert berücksichtigt. Davon kann zwar durch Erb- und Übergabevertrag oder Testament abgewichen werden – nur eben nicht zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten. Damit lässt sich das Problem also nicht lösen. Dies sind latente Zeitbomben, die rechtzeitig entschärft werden müssen.

2te Beispiel Pflichtteil (wie vorherige Beispiel):

Zum Betrieb gehören drei Bauplätze im Wert von je 250.000 Euro, die mit übergeben werden. Sohn Alois jun. übernimmt, veräußert das Bauland und reinvestiert in einen neuen Boxenlaufstall und drei ha LN – in dem guten Glauben, das Bauland jetzt in landwirtschaftliches Vermögen umgewidmet und damit „privilegiert“ zu haben. Zu Recht?

Leider nein! Sind die Schwestern schnell genug (Verjährung des Pflichtteils grundsätzlich mit dem Schluss des dritten Jahres nach Kenntnis vom Erbfall), muss er ihnen den Pflichtteil für den Wert der drei Bauplätze nach dem Verkehrswert auszahlen – trotz Reinvestition. Denn abzustellen ist auf den Zeitpunkt der Übergabe.

Auch der Kreis derjenigen, die sich auf das Ertragswertprivileg berufen können, ist sehr begrenzt. Es sind nur diejenigen, die selbst zum Pflichtteil berechtigt wären, als Abkömmlinge und Ehegatten. Soweit also Verwandte der zweiten Ordnung – Nichten oder Neffen – den Betrieb bekommen sollen, muss über eine Verwandtenadoption nachgedacht werden. Diese wird oft aus erbschaftssteuerlichen Gründen versucht. Viel mehr Sprengstoff steckt darin, wenn ein Verwandter als Übernehmer neben einen Pflichtteilsberechtigten tritt – der fleißige, tüchtige und folgsame Neffe neben den missratenen eigenen Nachwuchs. Dann kann nämlich jener Pflichtteil aus dem Verkehrswert verlangen, was den Betrieb empfindlich schwächen und den Übernehmer schwer belasten kann.

Entstehung des Pflichtteilsanspruchs – Lösungsansätze

Das Pflichtteilsrecht entsteht erst im Erbfall! Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, im Zusammenhang mit einer Übergabe entstünden Pflichtteilsansprüche. Dies ist gerade nicht der Fall!

Denkt man sich also beim Ausgangsbeispiel den Tod des Vaters weg und geht davon aus, dass dieser gemeinsam mit seiner Frau Barbara an den Sohn übergibt, so bekommen die weichenden Erben im Zeitpunkt der Übergabe – zunächst einmal gar nichts! Sie müssen den Tod eines der Erblasser abwarten, von dem sie ihr Pflichtteilsrecht ableiten (Alois oder Barbara).

Weil das aber so ist, ist die Übergabe ein idealer Zeitpunkt, die Forderung weichender Erben zu Gunsten des Betriebes zu steuern. Da bei Übergabe keine Pflichtteilsansprüche entstehen, bietet es sich an, weichenden Erben zur Ablösung des Pflichtteils (nur gegen notariellen Pflichtteilsverzicht!) Zuwendungen zu machen. Dabei werden mehrere Fliegen mit einer Klappe erschlagen: Die künftigen Pflichtteilsberechtigten erhalten im Zusammenhang mit der Hofübergabe etwas und fühlen sich bedacht. Durch den Pflichtteilsverzicht gewinnt der Übergeber Gestaltungsfreiheit für die Zuwendung evtl. noch vorhandenen Vermögens. Der Übernehmer kann nicht mehr mit Ausgleichsansprüchen belastet werden, da nach wirksamem Pflichtteilsverzicht keine Ansprüche mehr bestehen. So kann der Übernehmer in Ruhe wirtschaften.

Doch Vorsicht! Künftige Pflichtteilsberechtigte sollten nicht zu billig abgespeist werden. Weicht der Wert der Zuwendung, für die der Pflichtteilsverzicht erklärt wird, zu weit von dem hypothetischen Pflichtteil zur Zeit der Verzichtserklärung ab, fehlt dem Pflichtteilsverzicht evtl. die Geschäftsgrundlage. Ab einer Unterschreitung von 50 % des Wertes der Zuwendung gegenüber dem Pflichtteil kann zumindest darüber diskutiert werden, ob der Pflichtteilsverzicht noch wirksam oder aber anfechtbar ist. Ist die Abweichung noch größer, kann der Pflichtteilsverzicht sittenwidrig sein – mit der Konsequenz, dass er als von Anfang an nichtig anzusehen ist und sein Ergebnis jederzeit rückgängig gemacht werden kann. Ein bisschen Großzügigkeit lohnt sich also bei der Abfindung künftiger Pflichtteilsberechtigter.

Mit der letzten Erbrechtsreform ist das Pflichtteilsrecht zugunsten der Übernehmer verändert worden. Der Wert des Betriebes – ob Ertrags- oder Verkehrswert – wird für die Berechnung der Pflichtteile linear abgeschrieben. Ein Jahr nach Zuwendung (=Hofübergabe) sind nur noch 90%, nach zwei Jahren nur noch 80% usw., nach neun Jahren nur noch 10% und nach zehn Jahren nichts mehr anzurechnen. Früher waren 100% anzusetzen für zehn Jahre, und dann von einem Tag auf den anderen gar nichts mehr. Heute beginnt die lineare Abschreibung mit dem Tag der Übergabe. Das stärkt die Position des Übergebers gegenüber den Pflichtteilsberechtigten, sie zum Verzicht auf Gegenleistung zu verpflichten.

Das gelingt aber auch nur, wenn man zeitig übergibt. Der 89-jährige Übergeber muss über Gestaltungsfragen nicht mehr nachdenken, denn er wird das Ergebnis meist nicht erleben. Nicht die verfrühte, aber die frühe Übergabe ist die Vorteilhafteste.

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