Pflichtteilsrecht

1. Wer ist pflichtteilsberechtigt?

Pflichtteilsberechtigt sind lediglich Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel) des Erblassers, sein Ehegatte und – bei kinderlosen Erblassern – seine Eltern. Entferntere Abkömmlinge (z.B. Enkel des Erblassers) werden durch – lebende – Abkömmlinge (z.B. Kinder des Erblassers) von der Pflichtteilsberechtigung ausgeschlossen. Die nächste Generation kommt also nur zum Zug, wenn die vorherige vorverstorben ist.
Nicht pflichtteilsberechtigt sind dagegen die sonstigen Verwandten (Geschwister, Tanten/Onkel…) und ein möglicherweise vorhandener nichtehelicher Lebensgefährte.
Beispiel: Verstirbt ein kinderloser Erblasser, dessen Eltern auch schon verstorben sind, gibt es keine Pflichtteilsberechtigten. Eventuelle Geschwister sind nicht pflichtteilsberechtigt.

2. Höhe des Pflichtteils

Der Pflichtteilsanspruch ist ein – mit dem Erbfall sofort fälliger – Geldanspruch in Höhe des Wertes der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Die Pflichtteilsquote ist abhängig von der Zahl der Kinder und dem ehelichen Güterstand des Erblasser

Güterstand bei TodesfallPflichtteilsquote je Kind (wenn Erblasser verheiratet war)Pflichtteilsquote des Ehegatten (neben Abkömmlingen)
1 Kind2 Kinder3 Kinder1 Kind2 Kinder3 Kinder
Gesetzlicher Güterstand (Zugewinngemeinschaft)1/41/81/12Immer 1/8
Gütertrennung1/41/61/81/41/61/8
Gütergemeinschaft3/83/163/24Immer 1/8

3. Sonderfälle

– Pflichtteilsstrafklauseln
Beim Berliner Testament setzen sich die Eheleute zunächst zu Alleinerben ein. In der Regel werden die gemeinsamen Kinder Erben nach dem Letztversterbenden. Da diese Regelung eine Enterbung der Kinder nach dem ersten Todesfall darstellt, entstehen zu diesem Zeitpunkt Pflichtteilsansprüche der Kinder. Dies ist dann kein Problem, wenn der Nachlass im Wesentlichen aus Geld besteht. Dann können die Pflichtteile ausbezahlt werden. Wenn der Nachlass jedoch eine Immobilie darstellt, die selbst bewohnt wird, ist dies ein Problem. Viele Eltern schützen sich hier durch eine Pflichtteilsstrafklausel: Wer also beim Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil geltend macht, ist beim zweiten Todesfall ebenfalls enterbt.
Man sollte also genau überlegen, ob man den Pflichtteil geltend macht.

– Konkreter Zugewinn.
Wird eine Person Allein-oder Miterbe, so entfällt mit Ausschlagung der Erbschaft automatisch auch der Pflichtteilsanspruch. Bei Ehegatten gibt es eine Sonderregelung:
Der Ehegatte kann die Erbschaft ausschlagen und neben dem Pflichtteil den konkret angefallenen Zugewinn geltend machen. Ein pauschaler Ausgleich in Höhe ¼ des Nachlasses ist nicht möglich. Der Zugewinn, muss wie im Scheidungsverfahren berechnet werden. Kann aber im Einzelfall höher sein, als der pauschale erbrechtliche Zugewinn.

– Beschränkungen im Testament

Viele Erblasser regeln in ihrem Testament eine Vor-Nacherbenstellung, Ernennung eines Testamentsvollstreckers, eine Teilungsanordnung oder Auflagen und Vermächtnisse. In diesen Fällen kann der Erbe entscheiden, ob er die Erbschaft mit den Einschränkungen annimmt oder das Erbe ausschlägt und den Pflichtteilsanspruch geltend macht

4. Nachlassverzeichnis

Ein Nachlassverzeichnis dient dazu, dem Pflichtteilsberechtigten Auskunft über den Nachlass zu erteilen, damit dieser seinen Anspruch berechnen kann. Das Nachlassverzeichnis weist den Bestand des Nachlasses zum Todeszeitpunkt aus. Dieser erstreckt sich auf alle Aktiva und Passiva des Erblassers.
Ferner muss das Nachlassverzeichnis Angaben zum Güterstand des Erblassers enthalten.
Zur Berechnung eines evtl. Pflichtteilsergänzungsanspruchs sind alle Schenkungen der letzten 10 Jahre und bei Ehegatten ohne zeitliche Beschränkung anzugeben.
Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass soweit erforderlich eine Bewertung der Nachlassgegenstände durch einen neutralen Sachverständigen erfolgt. Die Kosten für die Wertermittlung stellen eine Nachlassverbindlichkeit dar.

Aktivbestand des Nachlasses

Die für die Praxis wichtigsten Nachlassvermögenswerte sind folgende:

  • Geldvermögen incl. Angabe der Bankverbindung, Konten, Wertpapierdepots, Spar- und Bausparverträge
  • Immobilien mit Angaben zum Objekt, ggf. Angaben zu den Mieten
  • Wertgegenstände z.B. Kunstgegenstände, Schmuck, Sammlungen,
  • Fahrzeuge mit Zulassungsnummer, Angaben zum Modell
  • Betriebliches Vermögen
  • Ansprüche gegen Dritte z.B. Darlehen, Schadensersatz
  • Steuererstattungsansprüche des Erblassers
  • Hausrat soweit werthaltig (Zeitwert)

Passivbestand des Nachlasses

Für die Praxis wichtige Nachlassverbindlichkeiten sind:

  • Offene Rechnungen
  • Kredite
  • Beerdigungskosten
  • Steuerschulden
  • Kosten für eine Auskunftserteilung und eine Wertermittlung

5. Pflichtteilsergänzungsanspruch 

Vermeintlich findige Erblasser versuchen, unliebsame Pflichtteilsansprüche dadurch ins Leere laufen zu lassen, dass sie den Nachlass durch Schenkungen schmälern oder sogar aushöhlen.
Schenkungen, die der Erblasser in den letzten 10 Jahren vor seinem Tod getätigt hat, werden daher dem Nachlass fiktiv hinzugerechnet. Bei Ehegatten gilt die 10 Jahres-Grenze nicht, sondern es werden alle Schenkungen während der Ehe erfasst.


Der Wert der Ausgleichspflicht schmilzt mit jedem Jahr um 10% des Schenkungswertes ab, das bedeutet, erfolgt die Schenkung im Jahr vor dem Erbfall, wird die Schenkung zu 100% angerechnet, im 2. Jahr nur noch zu 90% usw.
Bei Ehegatten läuft die Frist erst ab Ehescheidung an.

6. Verjährung des Pflichtteilsanspruchs

Der Anspruch auf den Pflichtteil verjährt in drei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ende desjenigen Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte vom Erbfall und seiner Enterbung erfahren hat, somit in der Regel ab dem Zeitpunkt der Testamentseröffnung und Mitteilung durch das Nachlassgericht

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